Erbeinsetzung, Enterbung, Ersatzerben - Gerichtsurteil zeigt häufige Fehler
Die Familie/Ausgangslage
Es war Anfang 2022, als der alte Ernst seine letzte Reise antrat. Zurück ließ er nicht nur sein Haus und ein paar Konten, sondern vor allem ein Testament, das mehr Fragen aufwarf, als es beantwortete.
Die Frau von Ernst M., Hannelore, mit der er über Jahrzehnte verheiratet war, war bereits 1997 verstorben. Aus dieser Ehe waren zwei Kinder hervorgegangen: Tochter Tanja und Sohn Sebastian.
Bereits 1989 hatten Ernst und seine Frau Hannelore einen Erbvertrag geschlossen, mit einer sogenannten Pflichtteilsstrafklausel: Wer beim ersten Todesfall den Pflichtteil forderte, sollte beim zweiten Mal leer ausgehen. Und genau das hatte Sohn Sebastian getan, als seine Mutter starb. Er hatte sich den Pflichtteil auszahlen lassen. Und damit, so glaubte der Vater, war für ihn das letzte Wort gesprochen. Für ihn war klar: Wer den Pflichtteil verlangt, bekommt nie wieder etwas.
Ein neues Testament
Doch das Leben des Ernst M. ging weiter. Er fand Gesellschaft bei seiner neuen Lebensgefährtin, Luise G. Eine pragmatische Frau, vier Jahre älter als er. Sie bekam Vollmachten über seine Konten und kümmerte sich um Alles. Und Ernst M., dankbar und zugleich fest entschlossen, erneuerte er 2018 seinen letzten Willen:
In einem neuen handschriftlichen Testament schrieb er:
„Ich setze meine Tochter Tanja als alleinige Erbin ein. Da mein Sohn Sebastian den Pflichtteil seiner Mutter ausgezahlt bekommen hat, geht mein Erbe an Tanja. Meine Lebensgefährtin Luise G. erhält, wenn meine Tochter das Erbe ausschlagen sollte, meinen ganzen Besitz.“
Eine einfache Formulierung, und doch der Auslöser eines erbitterten Streits.
Ein unerwarteter Verlauf: Alle Erben weg
Doch das Leben spielte anders. Das Schicksal schlug doppelt zu: Zuerst starb Luise G.. und schließlich der alte Ernst M. selbst. Zurück blieb die eingesetzte Erbin, Ernst`s Tochter Tanja. Doch sie wollte das Erbe nicht. Vielleicht wegen der drohenden Pflichtteilsansprüche. Vielleicht aus anderen Gründen. Jedenfalls: Das Testament war ins Leere gelaufen.
Sebastian, vom Testament übergangen, witterte seine Chance.
Mein Vater hat niemanden sonst benannt, sagte er. „Wenn Tanja nicht will und Luise tot ist, dann bleibe nur ich. Ich bin der letzte Blutsverwandte und der einzige gesetzliche Erbe. Mein Vater
wollte mir das Erbe nur dann verwehren, wenn jemand anders es antritt. Aber da nun niemand bleibt, bin ich der Erbe."
Doch nun meldete sich eine neue Stimme: Elfriede G., die Enkelin der verstorbenen Luise G. Sie ging vor Gericht und behauptete sinngemäß:
„Mein Großvater im Geiste wollte nicht, dass sein Sohn Sebastian ihn beerbt. Ihre Großmutter Luise G. war als Ersatzerbin eingesetzt, und da sie tot ist, trete ich als ihre Enkelin an ihre
Stelle. Das wäre sein Wille gewesen.“
Das Urteil
Die Richter standen vor einer schwierigen Entscheidung. In einem nüchternen, aber klugen Beschluss vom analysierten sie die Lage sorgfältig.
Ihr Urteil: Niemand bekommt das Erbe – außer dem Gesetz.
Denn:
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Der Sohn wurde ausdrücklich enterbt. Schon im alten Erbvertrag und noch einmal im Testament. Er sollte nie wieder etwas bekommen.
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Die Enkelin der Lebensgefährtin war keine Ersatzerbin. Ernst M. kannte das Prinzip der Ersatzerbschaft. Hätte er gewollt, dass die Enkelin seiner Lebensgefährtin erbt, hätte er sie benannt. Das tat er aber nicht. Auch nicht im Testament, auch nicht über Vollmachten.
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§ 2069 BGB, die gesetzliche Auslegungsregel, die bei Vorversterben von Abkömmlingen deren Kinder als Ersatzerben vorsieht, gilt nicht für Lebensgefährtinnen oder deren Nachkommen.
Da beide testamentarisch eingesetzten Personen, die Tochter und die Lebensgefährtin wegfielen, und niemand anderes eingesetzt war, fiel das Erbe in die Hände derjenigen, die das Gesetz nannte. Doch nicht an den Sohn Sebastian, der ausdrücklich enterbt war, sondern an entfernte Verwandte, mit den Ernst M. möglicherweise gar keinen Kontakt hatte. Sollte Sebastien Recht behalten haben, und er wäre tatsächlich der letzte Blutsverwandte gewesen, erbt der Staat.
Fall in Anlehnung an eine Entscheidung des OLG Zweibrücken (Beschluss vom 27.05.2024 – 8 W 41/23)
Die Lehre aus diesem Fall
Ein Testament ist nur dann wirklich sicher, wenn es klar und vollständig ist. In diesem Fall zeigt sich deutlich: Einmal enterbt, bleibt enterbt. Wer jemanden ausdrücklich enterbt, schließt diese Person nicht nur vom Testament, sondern auch von der gesetzlichen Erbfolge aus.
Gleichzeitig gilt: Wird kein Ersatzerbe bestimmt und die eingesetzten Erben fallen weg (z. B. durch Tod oder Ausschlagung), kann ein Testament faktisch ins Leere laufen und dann greift automatisch die gesetzliche Erbfolge. Das kann zu überraschenden Ergebnissen führen.
Gerade bei komplexeren Familienkonstellationen (z. B. mit Lebensgefährten, Stiefkindern oder früheren Enterbungen) ist es entscheidend, auch an mögliche Ersatzerben zu denken. Wer bewusst keine Ersatzerben benennen möchte, sollte dies deutlich im Testament festhalten.
Nur eine eindeutige und durchdachte testamentarische Gestaltung verhindert spätere Unsicherheit und unerwünschte Erbfolgen. So stellen Sie sicher, dass Ihr letzter Wille auch tatsächlich so umgesetzt wird, wie Sie es sich wünschen, selbst wenn das Leben unvorhergesehene Wendungen nimmt.
Fazit: Testamente brauchen Weitblick – und Klarheit
Dieser Fall zeigt eindrucksvoll: Ein Testament muss nicht nur eindeutig formuliert sein, sondern auch vorausschauend. Der Erblasser hatte zwar klare Vorstellungen, aber keine Absicherung für den Fall, dass auch seine Ersatzlösung (die Lebensgefährtin) nicht mehr lebt. Eine weitere Ersatzerbenregelung hätte das ganze Drama vielleicht verhindert.
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