Pflichtteilsstrafklauseln: Wenn das Finanzamt profitiert

Warum alte Testamente oft zu unnötig hohen Steuerbelastungen führen

Viele Ehepaare haben vor Jahrzehnten ein Berliner Testament errichtet, damals schien das eine klare und gerechte Lösung: Erst erbt der überlebende Ehepartner alles, nach dessen Tod die Kinder. Was aber oft übersehen wurde: Das Vermögen wächst über die Jahre, und plötzlich steht der überlebende Ehepartner nach dem ersten Erbfall mit einer satten Erbschaftsteuerrechnung da, weil  es versäumt wurde steuermindernde Vermächtnisse zugunsten der Kinder auszusetzen. 

Genau hier könnte der Pflichtteil helfen, er kann nämlich die Erbschaftsteuerlast spürbar senken.

 

Aber: In vielen älteren Testamenten lauert die sogenannte Pflichtteilsstrafklausel. Besonders streng ist die klassische Jastrowschen Klausel: Wer den Pflichtteil nach dem Tod des ersten Elternteils verlangt, wird beim zweiten Erbfall „bestraft“ , verliert beim zweiten Erbfall seine Erbenstellung und erhält ebenfalls nur den Pflichtteil.

 

Modernere Testamente enthalten eher entschärfte Pflichtteilsstrafklausel. Hier ist ein abgestimmtes Vorgehen mit dem länger lebenden Ehegatten durchaus möglich, solange alles sauber dokumentiert wird. Sie versagen allerdings bei späterer Geschäftsunfähigkeit des länger lebenden Ehegatten im Zeitpunkt der Fälligkeit des Pflichtteils 

 

Aus Angst Ihre Erbenstellung  zu verlieren, verzichten viele Kinder darauf, ihren Pflichtteil zu geltend zu machen.  Der Pflichtteil als Möglichkeit die Erbschaftssteuer zu minimieren geht verloren. Der Fiskus kassiert eine hohe Steuer, was das Familienvermögen unnötig schmälert.

 

Doch auch hier gibt es Reaktionsmöglichkeiten, um die  Situation steuerlich noch zu retten. zunächst erst einmal ein Beispiel: 

Praxisfall: Wie der Pflichtteil die Steuerlast drückt

Stellen wir uns folgenden Fall vor:
Ein Ehepaar hat vor vielen Jahren ein klassisches Berliner Testament errichtet. Nach dem Tod des Vaters erbt die Mutter das gesamte Vermögen – in unserem Beispiel 1.000.000 € als Aktien und Geldguthaben.

Ohne Pflichtteil

Die Mutter erbt alles. Vom zu versteuernden Erwerb werden der persönliche Freibetrag (500.000 €) und die Pauschale für Bestattungskosten (15.000 €) abgezogen. Ein Versorgungsfreibetrag steht in unserem Beispiel nicht zur Verfügung.

  • Steuerpflichtiger Erwerb: 485.000 €

  • Erbschaftsteuer: ca. 72.750 €

Ein erheblicher Betrag, der direkt an das Finanzamt geht.

Mit Pflichtteilszahlung an ein Kind

Nun verlangt ein Kind nach dem Tod des Vaters seinen Pflichtteil von 250.000 €. Dieser Pflichtteil gilt steuerlich als Nachlassverbindlichkeit und mindert das Erbe der Mutter.

  • Steuerpflichtiger Erwerb: (1.000.000 € – 250.000 € – 15.000 € = 735.000 €)

  • Abzüglich Freibetrag: 735.000 € – 500.000 € = 235.000 €

  • Erbschaftsteuer: ca. 25.850 €

Das Erge

Durch die Pflichtteilszahlung sinkt die Steuerlast der Mutter von 72.750 € auf nur 25.850 € – eine Ersparnis von fast 47.000 €!

Warum die Zahlung des  Pflichtteils steuerlich clever sein kann

Die Zahlung des Pflichtteils hat steuerlich betrachtet gleich zwei positive Effekte:

  1. Entlastung für den überlebenden Ehepartner
    Die Pflichtteilszahlung gilt als Nachlassverbindlichkeit. Das heißt: Der Betrag wird vom Erbe abgezogen und verringert die Erbschaftsteuer des überlebenden Ehegatten deutlich.

  2. Vorteil für Ihr Kind
    Das Kind muss den Pflichtteil zwar versteuern, kann aber seinen persönlichen Freibetrag von 400.000 € nutzen. So werden Freibeträge, die beim Tod des ersten Elternteils ungenutzt geblieben wären, nachträglich noch eingesetzt. Das hat einen großen Vorteil: Das Vermögen muss nicht später erneut versteuert werden.

Steuern sparen trotz Pflichtteilsstrafklausel: So geht's

Um das Risiko zu vermeiden, durch eine Pflichtteilsforderung die Erbenstellung zu verlieren, gibt es eine elegante Lösung: Die steuerlichen Vorteile können genutzt werden, ohne dass der Pflichtteil offiziell eingefordert wird.

Stattdessen besteht die Möglichkeit, dem Kind eine Abfindungszahlung für den Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteils anzubieten. Steuerlich wird eine solche Abfindung wie eine Pflichtteilszahlung behandelt: Der überlebende Ehegatte kann den Betrag vom Nachlass abziehen, während das Kind die Abfindung versteuert, dabei aber seinen Freibetrag einsetzen kann.

Ein einfacher „Handschlag-Deal“ reicht nicht aus. Um spätere Streitigkeiten zu vermeiden, etwa darüber, ob die Zahlung eine Schenkung oder eine Abfindung war, ist ein klar formulierter schriftlicher Vertrag notwendig. Darin sollte genau geregelt sein:

 

  • dass der Pflichtteilsanspruch besteht,

  • das Kind ihn jedoch nicht geltend macht,

  • und stattdessen eine Abfindung in bestimmter Höhe erhält.

In den meisten Fällen greift die Pflichtteilsstrafklausel nicht, da der Pflichtteil nicht offiziell geltend gemacht wurde und die Erbenstellung des Kindes bleibt für den zweiten Erbfall erhalten.

 

Was Sie Jetzt tun können

Überprüfen Sie ältere Testamente regelmäßig: Stimmen sie noch mit den aktuellen Vermögensverhältnissen überein? Wenn nicht, kann es sinnvoll sein, Vermächtnisse zugunsten der Kinder aus steuerlichen Gründen anzupassen.

 

Dabei beachten: Fallstricke lauern nicht nur in Pflichtteilsstrafklauseln, sondern auch in der Formulierung der Vermächtnisse selbst:  Falsche Formulierungen können später Streit oder steuerliche Nachteile verursachen.